enjoying Lesedauer: 10 min Erscheinungsdatum: 19.10.2021

WIE DAS ÖSTERREICHISCHE GESUNDHEITSSYSTEM FUNKTIONIERT

© Stefanie Kaiser
Hausapotheke mit Tabletten, Fieberthermometer und Pflaster

In Österreich hat die Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung höchste Priorität, weshalb das österreichische Gesundheitssystem auch als eines der besten weltweit gilt. Da in Österreich eine Krankenversicherungspflicht besteht, sind rund 99,9 % aller Menschen, die in Österreich leben, krankenversichert. (Inkl. Mitversicherungen, Privatversicherungen)

Steht man in Österreich in einem Arbeitsverhältnis, so wird der Beitrag für die Krankenversicherung automatisch vom Bruttoeinkommen abgezogen, sofern das Bruttoeinkommen (Entgelt) über der Geringfügigkeitsgrenze von 475,86 € (Wert 2021) liegt.

Für all jene Menschen, die keinen Anspruch auf eine gesetzliche Krankenversicherung haben, oder jene, die gerne noch eine Zusatzversicherung hätten, gibt es die Möglichkeit sich privat versichern zu lassen.

Doch wie funktioniert nun das Österreichische Gesundheitssystem genau? Was tut man, wenn man krank wird? Wie findet man den/die richtige/n Arzt/Ärztin? Wo bekommt man Medikamente und was, wenn man eine/n Spezialist:in braucht? Und was ist zu tun, wenn ein medizinischer Notfall vorliegt? Alles Wissenswerte zu diesem wichtigen Thema wird in diesem Beitrag zusammengefasst.

 

ALLGEMEINE INFORMATIONEN

Wie fast überall gibt es auch in Österreich eine Vielzahl von Ärzten und Ärztinnen, die zum Beispiel unterschiedliche Spezialgebiete behandeln. Die Österreichische Ärztekammer bietet eine praktische Online-Suche an, in der man nach den für sich passenden Ärzt:innen suchen kann und sogar nach Kriterien wie Fremdsprachen, den Fachgebieten oder dem Standort auswählen kann. Die meisten österreichischen Ärzt:innen werden aus dem öffentlichen Gesundheitssystem finanziert (Kassenärzt:innen), in diesem Fall sind die meisten Besuche bei Ärzt:innen kostenlos oder kosten sehr wenig - man darf aber nicht vergessen, zu jedem Termin die Krankenversicherungskarte (E-Card) mitzubringen! Wenn man sich für eine/n Privat- oder Wahlärzt:in entscheidet, muss beachtet werden, dass diese Leistungen aus eigener Tasche bezahlen werden müssen. Der Unterschied zwischen Privat- und Wahlärzt:innen ist, dass Rechnungen aus Wahlärzt:innen-Praxen bei der jeweiligen Krankenkasse vorgelegt werden können und man einen Teil der Rechnung erstattet bekommt. Dies gilt bei Privatärzt:innen nicht.

 

VORSORGE UND ALLGEMEINE GESUNDHEITSFÜRSORGE

In Österreich ist es gängige Praxis einen Hausarzt oder eine Hausärztin (Allgemeinmediziner:innen) zu haben, obwohl dies natürlich nicht zwingend erforderlich ist. Der Vorteil daran ist, dass man im Laufe der Zeit eine gute, vertrauensvolle Beziehung zum Hausarzt oder zur Hausärztin aufbauen kann. Hausärzt:innen kann man frei wählen, in der Regel handelt es sich aber um eine/n Ärzt:in, der/die sich in der Nähe des eigenen Wohnortes befindet. Hausärzt:innen sind die erste Anlaufstelle für eine jährliche, kostenfreie Gesundenuntersuchung (Vorsorgeuntersuchung), bei Krankheit oder Verletzungen (außer in Notfällen), bei allgemeinen Fragen zur Gesundheit oder gesundheitlichen Problemen, zur Beratung bei Ernährungsfragen oder wenn man im Krankheitsfall ein ärztliches Attest für Arbeitgeber:innen oder die Schule des Kindes benötigt. Österreichische Hausärzt:innen können eine Vielzahl von physischen und psychischen Problemen behandeln und überweisen im Fall von spezifischen oder chronischen Erkrankungen und Problemen auch an Spezialist:innen weiter.

 

ÜBERWEISUNGEN

Bei allen körperlichen oder psychischen Problemen und Erkrankungen, bei denen der/die Hausärzt:in nicht mehr weiterhelfen kann, bekommt man eine Überweisung an spezialisierte Ärzt:innen oder Krankenhäuser. Im Normalfall ist für eine Behandlung bei Spezialist:innen oder im Krankenhaus immer eine Überweisung des/der Hausärzt:in notwendig.

 

FRAUENGESUNDHEIT

Gynäkolog:innen sind Ärzt:innen, die sich auf Frauenheilkunde und Schwangerschaft spezialisiert haben. Auch hier ist es so, dass man Frauenärzt:innen frei wählen kann, um eine vertrauensvolle Beziehung zueinander aufbauen zu können. Um eine/n Gynäkolog:in aufzusuchen, benötigt man keine Überweisung! Die oben genannte Suchmaschine kann dabei helfen, Frauenärzte und Frauenärztinnen in der Nähe zu finden.

© Alexandra Pöcher
Schild einer Apotheke in Villach

APOTHEKEN

Wenn man in Österreich Medikamente benötigt, seien es rezeptfreie Medikamente wie Tylenol/Paracetamol, oder rezeptpflichtige Medikamente, die man vom Arzt oder der Ärztin verschrieben bekommen hat, bekommt man diese in der Apotheke. Drogerien wie DM oder BIPA verkaufen keine Medikamente! In Apotheken finden sich in der Regel auch Produkte wie Nahrungsergänzungsmittel, Erste-Hilfe-Material, Tinkturen, ätherische Öle, Kräuterpräparate und vieles mehr.

Prinzipiell sind die Kosten für Medikamente im Allgemeinen recht gering und außerdem streng reglementiert. Bekommt man also ein Rezept, so geht man zur Apotheke und zahlt in den meisten Fällen nur die Rezeptgebühr von 6,50 € (Stand 2021) pro verschriebenen Medikament. Sollten die Kosten des Medikaments aber beispielsweise unter der Rezeptgebühr liegen, wird der niedrigere Preis verrechnet. Allgemeine Schmerzmittel, Mittel gegen Husten oder Schnupfen, gegen Sodbrennen oder bei Heuschnupfen, gegen Durchfall, Verstopfung oder bei leichten Schlafstörungen sowie Mittel für oberflächliche Wunden bekommt man auch rezeptfrei in den Apotheken, muss dann jedoch selbst dafür bezahlen.

Unter der Woche haben Apotheken normale Öffnungszeiten und in jeder Stadt oder Region gibt es normalerweise mindestens eine Apotheke die nachts oder an den Wochenenden geöffnet hat. Dieser Service nennt sich Apotheken-Notdienst, Apotheken-Nachtdienst oder Apotheken-Bereitschaftsdienst und wechselt zwischen den Apotheken. In den lokalen Tageszeitungen oder auch online erfährt man, welche Apotheken in Villach Notdienst haben. Es gibt auch ein online Verzeichnis für alle anderen Apotheken in Österreich. Für den Service der “Notapotheke” wird pro Besuch eine Notdienstgebühr von 1,30 € – 3,80 € eingehoben.
 

KRANKENHÄUSER UND NOTFÄLLE

In Österreich ist es möglich, sich bei allen Arten von medizinischen Notfällen sofort in eines der Krankenhäuser zu begeben. Es ist nicht verpflichtend, zuvor einen Notruf abzusetzen oder den Rettungsdienst zu verständigen. Das bedeutet, dass wenn man sich zum Beispiel den Fuß verstaucht hat oder den Arm gebrochen hat, man sich auch selbstständig ins Krankenhaus begeben kann, um dort versorgt zu werden. 

Bei Notfällen, bei denen man sich nicht mehr in der Lage sieht selbstständig oder mit Hilfe von Familie oder Freunden in ein Krankenhaus zu kommen, oder bei lebensbedrohlichen Notfällen wie schweren Unfällen und Verletzungen, Herzinfarkten, Schlaganfällen oder ähnlichem, kann man einerseits den Euro-Notruf 112 wählen, wo in weiterer Folge der zuständige Rettungsdienst alarmiert wird. Andererseits ist es in Österreich gängiger, gleich den Rettungsnotruf 144 abzusetzen, um mit dem Krankenwagen schnellstmöglich in das nächstgelegene Krankenhaus zu kommen. 

Weitere Notrufnummern sind:

  • Feuerwehr-Notruf: 122 
  • Polizeinotruf: 133
  • Ärztenotdienst: 141
  • Bergrettung: 140
  • Telefonseelsorge: 142
  • Vergiftungsinformation: +43 1 406 43 43
  • Gesundheitsnummer: 1450 
    • Seit 2019 gibt es in Österreich auch die Gesundheitsnummer 1450, die von 0–24 Uhr erreichbar ist. Hier ruft man an, wenn einem die eigene oder die Gesundheit von jemand anderem plötzlich Sorge bereitet. Die Gesundheitsnummer erweist sich gerade in Situationen, in denen Betroffene nicht wissen was zu tun ist, als hilfreich. Können die Schmerzen selbst behandelt werden, soll am nächsten Tag ein Hausarzt aufgesucht werden, ist die Behandlung durch einen Facharzt erforderlich oder ist die Notfallambulanz die beste Adresse? Medizinisch geschulte Mitarbeiter:innen helfen dann schnell und unbürokratisch, um die für den Moment beste Betreuung zu finden. Durch die Corona-Pandemie wurde die Gesundheitsnummer in der österreichischen Bevölkerung bekannter. Nach wie vor gilt, sich bei Beschwerden rund um das Corona-Virus (Fieber, Husten oder Kurzatmigkeit) zuerst an die 1450 zu wenden und sich nicht eigenständig in eine Praxis oder ein Krankenhaus zu begeben. Die Mitarbeiter:innen der Hotline setzen im Corona-Verdachtsfall alle erforderlichen Schritte in Gange.
       

Das Gesundheitswesen ist ein sehr wichtiges, aber auch komplexes Thema, welches sich von Land zu Land sehr unterschiedlich gestalten kann. Wir hoffen, dass unsere Übersicht dazu beigeträgt, das österreichische Gesundheitssystem verständlich und zugänglich zu machen und so jede/r immer die Hilfe bekommt, die sie/er benötigt.